Militärmacht China - Worum es im Konflikt um Taiwan geht (2023)

Militärmacht China - Worum es im Konflikt um Taiwan geht (1)

Die Führung in Peking betrachtet Taiwan mit seinen gut 23 Millionen Einwohnern als Teil der Volksrepublik China. Das klare Ziel: Der Anschluss der demokratisch regierten Insel an das chinesische Staatsgebiet – wenn nötig auch mit militärischen Mitteln.

Doch die Einwohner Taiwans wollen ihre politische Eigenständigkeit und demokratischen Freiheitsrechte behalten. Unterstützung gibt es dafür unter anderem von den USA, die seit Langem besondere Beziehungen zu Taiwan haben und vor allem als Waffenlieferant auftreten. Neue Dynamik erhielt der Konflikt durch einen Besuch der US-Spitzenpolitikerin und Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. China wertet die Besuche ausländischer Politiker als Provokation und drohte mit Konsequenzen. Es führte im Anschluss Militärübungen in der Meerenge vor Taiwan durch.

  • Welchen Status hat Taiwan?
  • Warum ist Taiwan für China so wichtig?
  • Welche Rolle spielen die USA?
  • Ist zeitnah mit einer Eskalation des Konflikts zu rechnen?

Welchen Status hat Taiwan?

Taiwan heißt offiziell Republik China – im Unterschied zur kommunistischen Volksrepublik China. Das Land wird von den meisten Staaten nicht als souveräner Staat anerkannt – auch von Deutschland nicht. Es ist auch nicht Mitglied bei den Vereinten Nationen. Dort ist die Volksrepublik China Mitglied, die Anspruch auf das gesamte chinesische Festland mit Hongkong, Macao und Taiwan erhebt (Ein-China-Politik).

Taiwan versteht sich selbst aber als unabhängig, wird demokratisch regiert und pflegt zahlreiche Handelsbeziehungen nach Europa und in die USA. Viele Einwohner fürchten, dass ihnen ein ähnliches Schicksal droht wie Hongkong und sehen ihre Existenz als demokratische Inselrepublik bedroht. Ein Anschluss an China wird mehrheitlich abgelehnt.

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Die internationale diplomatische Isolation von Taiwan mit seinen 23 Millionen Einwohnern begann 1971. Damals verlor Taiwan seine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen, wo es ganz China vertreten hatte. Nach Abstimmung in der Vollversammlung wurde die Vertretung Chinas an die Volksrepublik China übertragen.

Die de facto zwei chinesischen Staaten gibt es schon seit 1949. Nach Ende des Kaiserreichs wurde 1912 zunächst die Republik China auf dem Festland gegründet. Die Insel Taiwan gehörte ab 1945 dazu, zuvor stand sie noch unter japanischer Herrschaft.

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Ab 1927 herrschte aber Bürgerkrieg um die Führung in China. Die nationalchinesischen Kuomintang unter Chiang Kai-shek kämpften gegen die Kommunisten unter Mao Zedong. Nach der Niederlage gegen die Kommunisten 1949 flohen viele Kuomintag auf die Insel Taiwan. Währenddessen gründeten die Kommunisten auf dem Festland die Volksrepublik China. Die Republik China reduzierte sich damit weitgehend auf die Insel Taiwan, sie vertrat China aber weiterhin bei den Vereinten Nationen – bis immer mehr Staaten ihre diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik ausbauten und zu Taiwan abbrachen und Taiwan seine Mitgliedschaft schließlich an die Volksrepublik abgeben musste.

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Warum ist Taiwan für China so wichtig?

Die Volksrepublik China erhebt Anspruch auf die demokratische Inselrepublik Taiwan, weil sie eine besondere Bedeutung für die Kommunistische Partei hat. Die Staatsführung betrachtet den Anschluss Taiwans, den sie als "Wiedervereinigung" titutliert, als Teil des "Chinesischen Traums". So erklärte Xi Jinping 2019, dass "auf dem Weg zum Wiedererstarken des chinesischen Volkes" die taiwanesischen Landsleute nicht fehlen dürften. Er droht mit einer gewaltsamen Eroberung, sollte ein friedlicher Anschluss nicht gelingen.

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Neben der historischen Bedeutung nimmt Taiwan für das Land aber auch eine geostrategisch wichtige Lage ein. China will seine militärische Macht und Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer weiter ausbauen. Es geht dabei auch um den Schutz der wirtschaftlich bedeutsamen Küstenregion. Die Lage Taiwans an wirtschaftlich wichtigen Meeresstraßen ist dabei für China von enormer Bedeutung.

Welche Rolle spielen die USA?

Das Großmachtstreben Chinas ist den USA schon lange ein Dorn im Auge. Das Südchinesische Meer und die Taiwanstraße sind wichtige Routen für den Welthandel und für den Wohlstand in den USA, Japan und Europa. Außenminister Antony Blinken hatte in einer Grundsatzrede Ende Mai China als "die langfristig größte Herausforderung für die internationale Ordnung" bezeichnet. Die globale Ordnung müsse verteidigt werden, so die Worte des Chef-Diplomaten - vor allem mit internationalen Verträgen und Abkommen. Das Land sei unter Präsident Xi Jinping "zu Hause repressiver und im Ausland aggressiver" geworden.

Als Reaktion auf den zunehmenden Druck aus China haben die USA unter Präsident Joe Biden ein neues Bündnis im indo-pazifischen Raum ins Leben gerufen – das sogenannte Quad, ein informelles Viererbündnis von USA, Indien, Japan und Australien. Den Bündnispartnern ist gemein, dass sie China als potenzielle Bedrohung ansehen. Ländern wie Japan und Indien gegenüber war China zuletzt sehr aggressiv aufgetreten. Auch die Entwicklungen in Hongkong und der Druck auf Taiwan spielen dabei eine Rolle. Die aggressive Außenpolitik Chinas gegenüber Taiwan ist das offensichtlichste Element der imperialen chinesischen Politik – und das gefährlichste.

Die USA unterstützen Taiwan deshalb seit Langem auch mit Waffen, lassen aber seit Jahrzehnten bewusst offen, ob sie der Insel im Falle eines Krieges wirklich zu Hilfe kommen würden. US-Präsident Biden hatte schon 2021 zugesagt, im Falle eines Angriffs militärische Unterstützung zu leisten; sein Stab ruderte allerdings zurück. So auch bei Bidens erneuter Ankündigung im Rahmen seiner Asien-Reise Ende Mai in Tokio. Er sagte, man sei bereit, Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch zu verteidigen, bekräftigte am nächsten Tage aber auch, weiter an der langjährigen Politik der "strategischen Zweideutigkeit" festhalten zu wollen. Diese Politik soll die Volksrepublik von einem Angriff abschrecken.

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Der Taiwan-Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hat die Spannungen zwischen China und den USA weiter verstärkt. Es ist der ranghöchste US-Besuch seit Jahrzehnten. Nach ihrem Besuch in Taiwan rief sie zu weiterem Druck auf China auf. Mikko Huotari, Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien, erklärte Pelosis Reise damit, dass die USA zuletzt in der Außenpolitik auf Demokratie als oberstes Ziel setzten – auch international. In Washington wolle man "klare Kante gegenüber China zeigen", sagte er im Dlf.

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Trotzdem wurde vorab betont, dass die USA in der Regel informelle Beziehungen zur Regierung in Taipeh unterhielten. Pelosi reise als Abgeordnete nach Taiwan, und das sei nichts Ungewöhnliches, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Auch US-Präsident Biden sagte gegenüber dem Sender CNN, der Besuch stelle keine Änderung der "Ein-China-Politik" der USA dar, die Peking als einzige legitime Regierung Chinas anerkennen.

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Ist zeitnah mit einer Eskalation des Konflikts zu rechnen?

China übt immer wieder Druck auf Taiwan aus – in Form von Cyber-Angriffen, wirtschaftlichem Druck, Falschnachrichten-Kampagnen oder regelmäßigen militärischen Übungen im taiwanesischen Luftverteidigungsraum sowie vor der Küste Taiwans. Als Reaktion auf den Besuch von Pelosi hatte Peking eine groß angelegte Militärübung um Taiwan absolviert und dabei auch eine Eroberung geübt. Es wurde betont, man werde Souveränität und territoriale Integrität Chinas schützen.

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In China steht im Herbst der 20. Kongress der Kommunistischen Partei an, wo Xi Jinpings dritte Amtszeit gesichert werden soll. So gehe es derzeit – auch in Anbetracht der Besuche von westlichen Delegationen in Taiwain – darum zu zeigen, dass man die Oberhand hat, sagt Mareike Ohlberg, Senior Fellow im Asien Programm des German Marshall Fund.

Die "präferierte Option" der Volksrepublik sei aber weiterhin, den ökonomischen Druck auf Taiwain so stark zu erhöhen, „dass es auch ohne eine Invasion einer Einigung mit dem Festland irgendwann zustimmt“. Diplomatische Isolierung, psychologische Kriegsführung und Drohungen seien neben ökonomischen Anreizen und ökonomischen Strafen weitere Mittel, die China einsetze, "um die Gesamtbevölkerung dazu zu kriegen, dass sie sich für eine Regierung entscheidet, die wieder stärker mit China zusammenarbeiten möchte". Deshalb rechnet Ohlberg nicht mit einer Invasion in diesem Jahr – auch wenn nicht abzusehen sei, dass das auf lange Sicht Erfolg haben wird.

Äußerungen, dass China beim Anschluss Taiwans noch in diesem Jahr vorgehen könnte, bewertet auch der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, zurückhaltend. "Uns scheint, dass die Risiken größer werden, je weiter dieses Jahrzehnt voranschreitet", sagte er bei einer Sicherheitskonferenz in Aspen (20.07.22). Denn auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine könnte Einfluss auf die Strategie Pekings haben.

Aus dem Ukraine-Krieg nehme China mehrere Lektionen mit, so Mareike Ohlberg: Darunter jene, dass auch vergleichsweise einfache Invasionen schiefgehen können. Zudem, dass der Westen wirtschaftliche Sanktionen auch ernst meinen kann. Und außerdem, dass der Westen viel dafür tut, um nicht in direkte Konfrontation mit einer Nuklearmacht zu kommen. Einige davon seien abschreckend, andere nicht.

Nach jüngsten Einschätzungen würden die russischen Rückschläge zwar China nicht von den Plänen abhalten, gewaltsam gegen Taiwan vorzugehen, so Burns weiter. Es gehe vielmehr um die Frage, wie und wann dieser Schritt erfolge.

Experten gehen jedoch davon aus, dass China seine Machtansprüche in jedem Fall noch vor den 100-Jahr-Feierlichkeiten im Jahr 2049 geltend machen will.

Quellen: Steffen Wurzel, Dlf, AFP, dpa

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Author: Annamae Dooley

Last Updated: 03/10/2023

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